Falsches und Fragwürdiges im DFD (4)
Noch einmal ein paar Anmerkungen zu den Namendeutungsversuchen im DFD (der vorherige Beitrag hier). Aktuell (25.2.2019) sollen es „25310 veröffentlichte Namen“ sein – wie viele wirklich verschiedene deutsche Namen es sind, wenn die Mehrfachartikel für Schreibvarianten herausgerechnet werden (15 Artikel für Bruck-, Brückel-, Brückl- bzw. -meier, -maier, -meir etc.) und die zahllosen türkischen Familiennamen, erfährt man weiterhin nicht.
Zu Achterkerke erfährt der Leser zwar, dass es sich um einen Namen auf mittelniederdeutscher Grundlage handelt. Aber versteht ein Leser ohne germanistisch-sprachhistorische Vorkenntnisse, aus welchem Teil Deutschlands dieser Name stammen muss? Unter der Überschrift „Verbreitung innerhalb Deutschlands“ beruft man sich nämlich auf den Datenschutz: „Aufgrund der geringen Häufigkeit dieses Namens wird aus Datenschutzgründen keine Karte angezeigt.“ Abgesehen davon, dass man sich berechtigterweise die Frage stellen kann, ob es wohl wirklich ein Verstoß gegen den Datenschutz ist, wenn man veröffentlicht, dass der Name Achterkerke dreimal in Braunschweig und einmal in Cuxhaven vorkommt (wie jeder mit Christoph Stöpels GeoGen überprüfen kann), so wäre eine kurze Beschreibung zur regionalen Verbreitung des Namens für viele Leser sicherlich nützlich und hilfreich. – Gedbas weist übrigens einige Namensträger aus dem 18. und 19. Jahrhundert im Raum Hannover nach, passend zu den heutigen Vorkommen in Braunschweig. Gerade bei einem so seltenen Namen wie Achterkerke wird man davon ausgehen können, dass alle Namensträger eines Stammes und miteinander verwandt sind; daher dürfte es mit wenig Aufwand möglich sein, den Ursprungsort dieses Namens, vielleicht sogar den ersten Namensträger genau zu verorten.
Zu Blümel (und auch Blohm, Blümke) verweist Rita Heuser als Verfasserin der Artikel jeweils auf den Artikel Blume und die dort angebotenen Erklärungen. Warum umgekehrt unter Blume zwar auf Blohm und Bluhme, nicht aber auf Blom und Bluhm verwiesen wird, bleibt das Geheimnis des DFD.
In den Namenartikeln zu diesen verwandten Namen fällt zunächst auf, dass auf die unterschiedliche geographische Verteilung mit keiner Silbe eingegangen wird: Blume findet sich in Westfalen, im südlichen Niedersachsen, in Thüringen und Sachsen-Anhalt, Blohm als die niederdeutsche nur im nördlichen Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Schreibvarianten sind räumlich noch stärker konzentriert (Blom im nördlichen Westfalen beispielsweise). Blümel tritt gehäuft im deutschen Teil Niederschlesiens auf, ansonsten aber weit gestreut in ganz Deutschland – ein Hinweis auf eine Herkunft des Namens aus Schlesien und eine Verbreitung als Folge der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Verlustlisten aus dem Ersten Weltkrieg bestätigen, dass Blümel ein typisch schlesischer Name ist, und so wird er auch in Bahlows „Schlesischem Namenbuch“ behandelt mit Belegen in Nieder- und Oberschlesien:
Liegnitz [26] Görlitz [19] Hirschberg [16] Grünberg [7] Sagan [6] Glatz [2] Oppeln [6]
Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass Schreibvarianten und Namenbildungsvarianten nicht nur in der Deutung einer Hauptform zugewiesen werden, sondern dass auch deren räumliche Verteilung beschrieben und erläutert wird.
Als Erklärungen zu Blume bietet das DFD insgesamt fünf Erklärungen an:
1. Benennung nach Übername zu mittelhochdeutsch bluome […] für einen Blumenliebhaber, für jemanden, der seine Kleidung auffällig mit Blumen verziert oder jemanden, der (auch im ironischen Sinne) der Beste ist.
2. Benennung nach Wohnstätte zu mittelhochdeutsch bluome […] für jemanden, der in einem Haus Zur Blume (der Häusername war in mittelalterlichen Städten äußerst beliebt) oder an einer Blumenwiese wohnt.
3. Benennung nach Beruf zu mittelhochdeutsch bluome […]. Es handelt sich um einen indirekten Berufsnamen für einen Blumengärtner und -züchter oder einen Gewürzhändler (Blume als Bezeichnung für ein Gewürz, z.B. Muskatnuss).
Weiterhin wird behauptet, in „Einzelfällen“ könne der Name auch wie folgt zu erklären sein:
4. Benennung nach Herkunft zum Siedlungsnamen Blume (bei Remscheid, Nordrhein-Westfalen; Landkreis Göttingen, Niedersachsen).
5. Benennung nach Rufname. Es handelt sich um ein Metronym zum jüdischen weiblichen Rufnamen Blume (zu mittelhochdeutsch bluome, mittelniederdeutsch blōme ‘Blume, Blüte, das Schönste, Beste seiner Art’).
Es liegt auf der Hand, dass eine Herleitung vom Siedlungsnamen Blume (Erklärung 4) nur in wirklichen Einzelfällen zutreffen kann. Ein Metronym zu einem jüdischen Rufnamen anzusetzen (Erklärung 5), erscheint allerdings einigermaßen gewagt. Abgesehen davon, dass zunächst zu klären (und darzustellen!) wäre, ob überhaupt und wo und wann dieser Name in jüdischen Familien verwendet wurde, kann man sich im historischen Kontext kaum eine Situation denken, in der ein jüdischer Frauenname zu einem nicht-jüdischen Familiennamen hätte werden können. Allenfalls für Namensträger jüdischer Herkunft könnte diese Deutung zu erwägen sein – wäre allerdings auch leicht zu überprüfen, da die Familiennamen der Juden erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts festgelegt wurden.
Was die drei angeblichen Hauptbedeutungen angeht, so kann man sich natürlich im Jahr 2019 immer einiges ausdenken, wie ein Name vor ein paar Jahrhunderten entstanden sein könnte; besser wäre es, wenn für die angebotenen Erklärungen Belege geboten und diese zumindest plausibel gemacht würde. Die schlesische Form Blümel etwa findet sich im 17. Jahrhundert in den Kreisen Münsterberg und Frankenstein (Hertwigswalde, Oberpomsdorf, Bärwalde) und im Süden der Grafschaft Glatz (in der Umgebung von Mittelwalde) bei offensichtlich bäuerlichen Familien. Der Hausname (Erklärung 2) scheidet aus, da der Name eben nicht den Städten, sondern auf dem Land auftritt. Wie wahrscheinlich ist es, dass einfache schlesische Bauern ihre Kittel mit Blumen verzieren (Erklärung 1), und zwar so penetrant und im Unterschied zu anderen, dass sich daraus ein Name ergibt? Und wohnt im Dorf mit zehn Häusern nur der eine neben der Blumenwiese und keiner der anderen Dorfbewohner (Erklärung 2)? Setzte nicht die Wirtschaftsweise des Spätmittelalters, der Frühen Neuzeit eine Mahd der Wiesen voraus, während die schöne idyllische Blumenwiese ein Idee der Gegenwart ist? Haben schlesische Bauern wirklich Blumen gezüchtet (Erklärung 3)? Natürlich gab es im 17. Jahrhundert in Holland die Spekulation mit Tulpenzwiebeln – aber wovon hätte vor dem Dreißigjährigen Krieg ein reiner Blumengärtner in einem kleinen Dorf im Glatzer Bergland leben sollen? Gibt es einen Beleg dafür, dass Gewürze als Blumen bezeichnet wurden (Erklärung 3)? Und die Deutung schließlich als Bezeichnung für „jemanden, der (auch im ironischen Sinne) der Beste ist“ ist an Willkürlichkeit kaum mehr zu überbieten – der Beste in irgendwas oder auch der Schlechteste, aber ironisch trotzdem Blümel genannt.
Ehrlicher jedenfalls wäre es, auf Spekulationen zu verzichten und mit Bahlow schlicht und einfach festzustellen, dass wir es mit einem „Bauernnamen“ zu tun haben – wie auch immer dieser im Einzelfall motiviert gewesen sein mag.
Zu Altpeter würde sich der Hinweis anbieten, dass es sich um einen saarländischen Familiennamen par excellence handelt, wie auch die heutige Verbreitung noch zeigt. Es dürfte genealogisch im Bereich des Möglichen sein, die Herkunft relativ genau einzugrenzen und zumindest zu überprüfen, ob alle Namensträger eines Stammes sind oder nicht.
Bei Federspiel zeigt sich ebenfalls eine ganze enge Beschränkung des Vorkommens auf das Saarland – während es gleichzeitig sehr viele Namensträger in der Schweiz (und zwar in Graubünden) und in Österreich gibt. Zu ergänzen sind die Namensträger im deutschsprachigen Südtirol. Dies führt zu der Vermutung, dass es Name möglicherweise mit der massiven Zuwanderung aus dem Alpenraum in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in das Saargebiet gelangt sein könnte. Im 17. Jahrhundert findet sich der Name häufig am Reschenpass, was sich mit den heutigen Verbreitung in Graubünden und Südtirol (zu Österreich fehlen Angaben zur regionalen Verbreitung) deckt.
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