Falsches und Fragwürdiges im DFD (6)
Dieser Tage bin ich einmal mehr über das DFD gestolpert – Zeit wieder für ein paar Bemerkungen, diesmal zu saarländischen Namen: Didier, Jungfleisch, Spaniol. Vor allem Jungfleisch und Spaniol sind saarländische Namen par excellence, worauf in den Namenartikeln aber wie üblich nicht hingewiesen wird.
Für Spaniol bietet die Bearbeiterin Mirjam Schmuck folgende zwei Erklärungen:
1. Benennung nach Herkunft zu mittelhochdeutsch Spanjōl , mittelniederdeutsch Spāniōl , Spanniōl ‘Spanier’ für jemanden, der aus Spanien stammt.
2. Benennung nach Übername zu mittelhochdeutsch Spanjōl , mittelniederdeutsch Spāniōl, Spanniōl ‘Spanier’ für jemanden mit (Handels-)Beziehungen zu Spanien.
Die ganz eng umgrenzte Verbreitung des Namens im Saarland spricht einigermaßen deutlich gegen eine mittelniederdeutsche Herkunft – aber vielleicht weiß man beim DFD nicht, wo das Mittelniederdeutsche zu verorten ist. Eine Herleitung von mhd. Spanjôl wäre lautlich natürlich denkbar. Allerdings ist die Herkunft der saarländischen Spaniol historisch und genealogisch gut bezeugt und gut erforscht: Alle heutigen Namensträger Spaniol gehen zurück auf einen André Pagnol, der sich zusammen mit seinen zwei Brüdern Christian (Noel) und George und einigen weiteren Zuwanderern aus dem französischsprachigen Raum um 1664 im kriegszerstörten Schiffweiler bei Ottweiler niederlässt. Bis zum Ende des 17. Jahrhundert ist die Schreibweise des Namens fast durchgängig mit anlautendem P-: Pagnol, Panigol, Pagniol; um 1700 setzt sich dann langsam die Schreiberweise Spaniol (neben Espagnol) durch. Die Bedeutung des Namens ist tatsächlich „Spanier“ (wobei es müßig wäre darüber zu spekulieren, warum jemand so genannt wurde – vielleicht ein Soldat im Dreißigjährigen Krieg?); der Name stammt allerdings weder aus dem Mittelnieder- noch dem Mittelhochdeutschen, sondern aus dem Französischen und ist erst um 1700 zu seiner heutigen Form gekommen. Ob die seltenen Namensträger Spanjol den gleichen Ursprung in Schiffweiler haben, wäre separat zu prüfen.
Den Namen Jungfleisch erklärt Rita Heuser als
Benennung nach Beruf zu mittelhochdeutsch junc ‘jung’ und mittelhochdeutsch vleisch ‘Fleisch’. Es handelt sich um einen indirekten Berufsnamen für einen jungen, jüngeren Metzger oder einen Metzger, der Fleisch von jungen Tieren verarbeitet.
Vermutlich alle deutschen und französischen Namensträger (ja, französische Namensträger gibt es auch!) sind Nachkommen eines Johann Jungfleisch aus Buding in Lothringen, nordwestlich von Metz, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts lebte. Ob es nun wirklich in dem kleinen lothringischen Dorf, das heute auf immerhin 500 Einwohner kommt, im 17. Jahrhundert aber wohl nur wenige Dutzend hatte, einen Metzger gab, der sich auf das Fleisch von jungen Tieren verarbeitet hat? „Nein, ich schlachte nur Kälbchen – ein ausgewachsenes Schwein nehm‘ ich nicht!“ – oder wie sollen wir uns das vorstellen? Vielleicht müsste man hier sogar einen Blick auf die sprachlichen Verhältnisse im Raum Metz werfen und prüfen, ob nicht möglicherweise ein entstellter oder verballhornter französischer Name zugrundeliegen könnte.
Über den Namen Didier schreibt Rita Heuser:
Es handelt sich um ein Patronym zum Rufnamen Didier, der französischen Form des Rufnamens Desiderius, vergleiche Desiderius 1.
Natürlich ist es richtig, dass Didier die französische Form von Desiderius ist – zumindest auf die saarländischen Namensträger Didier trifft diese Herleitung trotzdem nicht zu. Die saarländischen Didier sind Nachkommen eines Dietrich, der 1553 und 1567 in Theley erwähnt wird und später in Gresaubach ansässig war. Sein Sohn wird 1585 als Thiebolt Diedrich, 1588 als Didier Thiebolt, 1590 als Dietges Theobalt erwähnt; im 17. Jahrhundert wechseln die Schreibungen zwischen Dietges und Didier, ehe sich dann gegen 1700 Didier dauerhaft durchsetzt. Da die Namen teilweise in französischsprachigen Quellen erscheinen, könnte man hier an eine Angleichung von deutsch Dietges an französisch Didier durch zumindest teilweise französisch sozialisierte Schreiber denken.
Wie so oft zeigen diese Beispiele, dass seriöse Deutungen heutiger Namen ohne Kenntnis der historischen Belege und der Genealogie der Namensträger auf tönernen Füßen stehen.
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