Falsches und Fragwürdiges im DFD (7)
Über den ausnehmend hübschen Familiennamen Hundgeburth (Hundgeburt, Huntgeburth) behauptet das DFD:
Benennung nach Beruf zu mittelhochdeutsch hunt , mittelniederdeutsch hunt , hont ‘Hund’ und mittelhochdeutsch, mittelniederdeutsch gebūr ‘Dorfgenosse, Bauer’ für jemanden, der für die Pflege und Aufzucht der Hunde des Lehnsherren zuständig war. Das t im Auslaut beruht wahrscheinlich auf einer volksetymologischen Umdeutung in Anlehnung an Geburt.
Die dem Artikel beigefügte Karte zeigt Vorkommen im Raum Köln, im Raum Aachen und im nördlichen Hessen irgendwo am Zusammenfluss von Fulda und Werra zur Weser.
Im Artikel „Auf den Hund gekommen“ findet sich außerdem noch die „Theorie, dass der Nachname Hundgeburth auf einen gleichlautenden Ort im Raum Bergheim-Köln zurückgehen könnte.“ Einen Beleg für diese Theorie bleibt das DFD schuldig.
Wie so oft, scheitert die Deutung eines Familiennamens, wenn man weder die ursprüngliche geographische Verbreitung noch die historischen Schreibungen noch die rechtlichen und sozialen Verhältnisse in der Entstehungsregion berücksichtigt.
Schauen wir zunächst auf die historische Verbreitung des Namens Hundgeburth (samt Schreibvarianten) auf der Basis der Verlustlisten des Ersten Weltkriegs, wird deutlich, dass es sich um einen rein rheinischen Namen handelt mit einem Schwerpunkt im Raum Köln. Die Vorkommen südlich von Duisburg dürften auf Wanderungsbewegungen im Rahmen der Industrialisierung zurückgehen; Vorkommen in Hessen fehlen noch ganz.
Genealogische und historische Forschungen zeigen rasch, dass der Name seit dem 15. Jahrhundert fast nur im Raum westlich von Köln nachweisbar ist und dort wohl seinen Ursprung hat:
- Huntgebur zu Pulheim: 26.1.1453: Das Kapitel zu „Sentervilien“ (Ursula), das an den Eheleuten Henkin Huntgebur zu Polheim 70 Malter Roggen und 62 Malter Hafer zu fordern hatte, während diese den Ersatz für sechs in der Fehde ihnen abgenommenen Pferde verlangten, verzichten gegenseitig vor den Schöffen zu Büsdorf. up den negesten dach na sent Pauwels dach conversionis. Henken Huntgebur wird in mehreren weiteren Urkunden zwischen 1426 und 1453 zu Pulheim erwähnt, mehrfach auch als Schöffe.
- Hundgeburt in Frechen: 1574 Gerhard Hundgeburth Halfe auf dem Weyerhof in Frechen; 1601 Johannes Hundgeburt Halfe auf dem Weyerhof in Frechen, ab 1641 Johannes Hundgeburt in Widdersdorf (1660: von Frechen)
- Hundgeburt in Stommeln: ab 1601 Johannes Hundgeburt in Stommeln
- Huntgebur in Müngersdorf: 21.2.1501 Thomes Huntgebuyr als Bürge bei Verpachtung von St. Aposteln in Müngersdorf (HAStK: Apo., U. 3/438), 2.6.1537 Hubert van Hoeningen, gen. Huntgebuyr, u. Ehef. Girtgen pachten Frauenhof in Müngersdorf auf 12 Jahre von St. Aposteln (HAStK: Apo., U. 3/492, U. 3/493); 3.9.1562 Thonis/Antonius Hontebor/Huntgebhur (z. Zt. Schultheiß in Müngersdorf), und Ehefrau Irmen pachten 4 Morgen Benden von St. Aposteln in Kierdorf (Roggendorf, HAStK: Apo., Rep. u. Hss. 1, S. 160 f.).
- Hundgebur in Junkersdorf: 22.1.1500 Der Fronhof in Junkersdorf wird an Thoenis Huntgebur und seine Frau Alheyt verpachtet
Dementsprechend ist der Name nicht aus dem Mittelniederdeutschen, sondern dem Mittelfränkischen des Spätmittelalters herzuleiten; das ändert selbstredend nichts an der Erklärung des Zweitglieds mit mhd. gebūr(e) „Bauer“. Die historischen Schreibungen teilweise ohne -t unterstützen diese Deutung, insbesondere der Erstbeleg 1453; aber noch im 18. Jahrhundert finden sich in den Kirchenbüchern des Kölner Raumes Schreibungen wie Hungebur.
Die Namensträger Huntgebur etc. waren vom 15. bis 18. Jahrhundert weder Lehensbauern noch hatten sie eine „ganz besonders verhasste“ Leistung zu erbringen – sie waren Halfen auf den großen Klostergütern im Kölner Umland, das heißt persönlich freie Pächter und keine Lehnsvasallen, und hatten verschiedentlich das Schöffen- und Schultheißenamt inne, gehörten also zur lokalen bäuerlichen Oberschicht. Abgesehen davon, dass sie keine Lehnsvasallen waren, waren diese Halfen und Angehörigen der bäuerlichen Oberschicht auch nicht mit „ganz besonders verhassten“ Pflichten belastet.
Das Erstglied Hunt- / Hund- hat dementsprechend auch nichts mit dem Tier zu tun, sondern ist zu Hunne zu stellen, das im Rheinischen Wörterbuch erklärt wird als der „Vorsteher einer Bauernschaft“; dazu gibt es auch die Komposita Hunnschaft, Hunngericht und Hunntag. Im historischen Kontext scheint es recht einfach: Der Hungebur ist jemand, der als Bauer (gebure) das Amt des Hunnen innehat und einer Hunnschaft vorsteht. Ob dieser Hungebur privat auch noch Hunde gehalten hat, steht auf einem anderen Blatt – und wird sich in der Regel nicht mehr klären lassen.
Doch halt – was ist mit der vom DFD referierten „Theorie, dass der Nachname Hundgeburth auf einen gleichlautenden Ort im Raum Bergheim-Köln zurückgehen könnte“? Nun ja, diesen angeblichen Ort findet man in keinem der einschlägigen Ortsverzeichnisse der Rheinprovinz, weder früher noch heute. Wer schenkt der Redaktion des DFD einige Nachschlagewerke, damit sie wenigstens solche Theorien sofort überprüfen und ggf. verwerfen können und keinen Unsinn in die Welt setzen?