Falsches und Fragwürdiges im DFD (3)
Im Januar 2017 habe ich zuletzt über „Falsches und Fragwürdiges im DFD“ berichtet, da seither die Beschäftigung mit der DNA-Genealogie im Vordergrund stand und steht. Nach dieser längeren Unterbrechung lohnt sich vielleicht der Blick, was sich in der Zwischenzeit beim DFD, dem „Digitalen Familiennamenwörterbuch Deutschlands“ getan hat und ob die Qualität der Beiträge mittlerweile zugenommen hat.
Mittlerweile seien Artikel zu 21.566 Namen veröffentlicht, erfährt man, wenn man das Wörterbuch aufruft. 21.566 Namenartikel – eine beeindruckende Zahl, die sich allerdings rasch dadurch relativieren lässt, dass offenbar weiterhin nicht zwischen einem Namen und seinen verschiedenen Schreibformen (Graphien) unterschieden wird. So bringt es Name Bruckmeier mit seinen verschiedenen Schreibweisen (Bruck-, Brückel-, Brückl- bzw. -meier, -maier, -meir etc.) auf nicht weniger als 15 Namenartikel und selbst ein Name wie Gehlhaar auf acht Varianten. Es ist unverständlich, warum weiterhin nicht simple Schreibvarianten eines Namens nicht wie in jedem anderen Namenwörterbuch unter einer Leitform zusammengefasst werden. So dürften sich hinter den 21.566 Namenartikeln zu Schreibvarianten ganz erheblich weniger tatsächlich unterschiedliche Namen verbergen.
Historische Belege werden fast nie angeführt – und vor allem nicht systematisch. Erklärungen zur Verbreitung bestimmter Formen, zur dialektgeographischen oder regionalen Herkunft und zur Familiennamengeographie fehlen meistens. Eine seltene Ausnahme ist der Artikel Jennewein mit dem Hinweis auf die Zuwanderung von Tirolern in die Pfalz und das Saarland; hier hätte es sich natürlich angeboten, diese Vermutung mit entsprechenden Nachweisen zu untermauern; gerade das Saarland ist bekanntlich genealogisch sehr gut erschlossen und dokumentiert.
Anmerkungen zu einzelnen Namenartikeln:
Der Familiennamen Junker wird erklärt als
Übername zu mittelhochdeutsch junchērre, juncherre, mittelniederdeutsch junker, juncher ‘junger Herr, noch nicht adelig gewordener Ritter, Edelknabe, Junker, unmündiger Lehnsherr’ für einen jungen Mann hoher Herkunft oder jemanden, der sich so verhält.
Natürlich ist die Bedeutung von mhd./frnhd./mnd. junker halbwegs zutreffend referiert – nur halbwegs allerdings, denn was soll man sich unter einem noch nicht adelig gewordenen Ritter vorstellen? Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit ist die ständische Qualität als Ritter mit der adligen Herkunft untrennbar vermuten. Oder sollte vielleicht gemeint sein ein junger Adliger, ein Knappe, der noch nicht zum Ritter geschlagen worden ist?
Ansonsten sagt die Bedeutung des Wortes junker allein nichts über die Motivationaus, jemandem diesen Bei- oder Übernamen zu geben. Familien adliger Herkunft sind es nicht, denn diese führten ja bereits einen entsprechenden Herkunftsnamen, und auch ein nichtadliger junger Mann hoher Herkunft hätte im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit bereits einen Namen getragen und folglich nicht erst einen Beinamen Junker erhalten müssen. Im Hunsrück und im Luxemburgischen taucht der Namenicht ganz selten ab dem 16. und 17. Jahrhundert auf – und zumindest im Hunsrück finden sich mehrere (möglicherweise miteinander verwandte) Familien von Hirten und Schäfern mit diesem Namen, bei denen eine Abstammung von einem jungen Mann hoher Herkunft einigermaßen unwahrscheinlich erscheint.
So bliebe allenfalls die Annahme, mit Junker sei jemand bezeichnet worden, der sich so verhält. Vielleicht müsste man aber auch regional und unter Berücksichtigung der (westmd.) Dialekte nach anderen Erklärungsmöglichkeiten suchen.
Zu Schüler wird verwiesen auf mhd. schuolære:
‘Schüler, Student, junger Geistlicher’ für einen Gelehrten, Studenten, Kleriker, der auch als Schreiber tätig ist, aber auch im Sinne von Lehrer.
Kleriker und junge Geistliche waren im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit nicht unbedingt kinderlos – aber wie viele Belege gibt es, dass Kleriker, Gelehrte, Schreiber oder gar Lehrer als Schüler bezeichnet wurden? Und dies noch so häufig, dass man damit die heutige Verbreitung dieses Namens erklären könnte? Im Raum Birkenfeld findet sich schon Mitte des 16. Jahrhunderts eine Familie Schuler, in der über Generationen das Schmiedehandwerk (später auch das Goldschmiedehandwerk) ausgeübt wurde. Irgendwo auf dem Land bei Birkenfeld dürfte sich die Zahl der Kleriker, Schreiber, Gelehrten, deren Nachfahren dann Schmiede hätten werden können, einigermaßen in Grenzen halten. Könnte Schüler, Schuler sich vielleicht auch beziehen auf einen Lehrling im Handwerk oder eine ganz andere Bedeutung haben? Hier macht sich wieder der Verzicht auf die systematische Sichtung historischer Belege schmerzlich bemerkbar.
Zu Maternus und seinen Varianten wie Ternes würde es sich angesichts der heutigen Verbreitung empfehlen, nicht nur auf den Hl. Maternus von Köln zu verweisen, sondern vor allem, dass dieser der dritte Bischof von Trier gewesen sein soll und auch als Gründer des Bistums Tongern in Anspruch genommen wird. Die Verbreitung des Namens ist interessanterweise noch heute weitgehend auf das Gebiet des früheren Erzbistums Trier beschränkt, insbesondere auf den Raum Mosel, Südeifel, Hunsrück. Eine entsprechende Verbreitung hinüber nach Luxemburg und Belgien wäre zu vermuten.
Backhaus wird erklärt als Wohnstättenname
für jemanden, der am Gemeindebackhaus wohnt
oder als Berufsname
für den Bäcker, der das Gemeindebackhaus betreibt.
Das Gemeindebackhaus gehörte in der Frühen Neuzeit – wie sich schon aus der Bezeichnung ergibt – kollektiv der Gemeinde und wurde reihum von allen Backberechtigten genutzt, so dass es auf dem Dorf eigentlich keinen spezialisierten Bäcker gab. Natürlich ist ein Backhaus ein Wohnstättenname – nur wohnten die so bezeichneten Personen nicht am, sondern im Backhaus. Das Backhaus der Gemeinde, öfter das Backhaus größerer Höfe diente insbesondere im 17. Jahrhundert nicht selten auch als Bleibe für Tagelöhner oder Knechte; nach dem Dreißigjähigen Krieg finden sich nicht selten in Einwohnerverzeichnissen ganze Familien in den Backhäusern. Ein wenig historische Recherche und der Rückgriff auf entsprechende Quellen wäre hier wie sonst hilfreich zu einer treffend(er)en Namendeutung.
Pingback:Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands | Archivalia
Pingback:Falsches und Fragwürdiges im DFD (4) – Saecula
Pingback:Newsletter 2018/10 – Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)