Falsches und Fragwürdiges im DFD (2)
Zu Reiter und Reuter bietet das DFD ein schönes Deutungsdurcheinander. Zu Reiter gibt das DFD als Hauptbedeutungen (die einigermaßen abwegigen Nebenbedeutungen verdienen nicht zitiert zu werden):
1. Benennung nach Beruf zu mittelhochdeutsch rīter ‘der zu Pferde dient, Reiter’ für einen berittenen Beamten oder einen Reitknecht.
2. Benennung nach Wohnstätte, siehe Reuter 2. Es handelt sich um eine Lautvariante mit Entrundung eu zu ei. Diese Deutung kommt vor allem für die vielen oberdeutschen Belege in Frage.
Schaut man sich die Verbreitung des Namens an, fällt auf, dass der Name vor allem in Südbaiern und im Saarland vorkommt. Mit etwas Kenntnis der Sprachgeschichte und Dialektgeographie liegt es auf der Hand, dass die zahlreichen südbairischen Vorkommen – wie hier zurecht angenommen – auf riute „Rodung, urbar gemachte Stelle“ zurückgehen; dabei ist nicht ohne Weiteres zu entscheiden, ob ein nomen agentis riutӕre „jemand, der rodet“ (im Artikel Reiter nicht genannt, nur unter Reuter), ein Wohnstättenname (Hauptbedeutung 2) oder ein Herkunftsname (Einzelbedeutung 5) vorliegt. Nach welchen Kriterien hier Haupt- und Nebenbedeutungen unterschieden werden, erschließt sich nicht.
Die Vorkommen Reiter im Saarland hingegen sind aus sprachlichen Gründen von den südbairischen Vorkommen zu trennen und eher als „Reiter“ zu erklären (was auch immer im Einzelfall für eine Tätigkeit damit gemeint ist).
Zu Reuter gibt das DFD folgende Erklärungen:
Hauptbedeutung:
1. Benennung nach Beruf zu mittelhochdeutsch riutӕre ‘der ausreutet, urbar macht, Bauer’.
2. Benennung nach Wohnstätte zu mittelhochdeutsch riute ‘Rodung, urbar gemachte Stelle’ für jemanden, der an einer durch Rodung urbar gemachten Stelle wohnt.In Einzelfällen
3. Benennung nach Beruf, siehe Reiter 1. Es handelt sich um eine Lautvariante mit Rundung.
4. Benennung nach Herkunft zu Siedlungsnamen wie Reut, Reute, Reuth (z. B. Reut im Landkreis Traunstein, Bayern).
5. Benennung nach Beruf zu mittelniederländisch ruyter ‘Räuber, Wegelagerer’ (siehe Gottschald 2006, Seite 408).
Schaut man sich die Verbreitung des Namens Reuter an, stellt man unschwer fest, dass die große Mehrzahl der Vorkommen aus dem westmitteldeutschen Raum stammt, und zwar vor allem aus dem Raum zwischen Rhein, Mosel und der Staats- und Sprachgrenze im Westen. Nun ist aber reuten die im Oberdeutschen übliche Form des Verbs, wo der Name Reuter kaum auftritt, während im Westmitteldeutschen das Verb roden lautet. Damit können die vom DFD behaupteten Hauptbedeutungen des Namens Reuter in der Mehrzahl der Fälle gar nicht zutreffen, sondern können nur in Einzelfällen – den oberdeutschen Belegen – richtig sein. Mit dem Verb roden dürfte eher der Name Rödder (als Wohnstätten- oder Herkunftsname) zusammenhängen.
Und wie sieht es mit den vorgeschlagenen Deutungen „in Einzelfällen“ aus? Ist Reuter eine „Lautvariante mit Rundung“ zu Reiter? Man muss nur im Rheinischen Wörterbuch nachschlagen (das scheint beim DFD nicht üblich zu sein) und erfährt zum Lemma Reuter, dass dieses Wort keineswegs auf mhd. rīter „Reiter“ zurückgeht, sondern ein über das Französische vermitteltes Lehnwort aus dem Lateinischen ist:
zu mlat. rupt(u)arii < rupta ‘Abteilung’, in frz. Ausspr. rutarii, mndl. rûter ‘Freibeuter, Wegelagerer’; < ruiter te peerde ergab sich verkürzt die Bed. ‘Reiter’
Der Hinweis erübrigt sich fast, dass der im westmd. verbreitete Name nicht direkt aus dem Mittelniederländischen mit der Bedeutung „Räuber, Wegelagerer“ herzuleiten ist.
Das Fazit: Die Hauptbedeutung den Namens Reuter fehlt im DFD, die angeblichen „Hauptbedeutungen“ können nur in Einzelfällen zutreffen (zusammen mit der Einzelfallbedeutung 4: Herkunftsname); die Einzelfallbedeutungen 3 (Herleitung von Reiter) und 5 (Herleitung aus dem Mnl.) sind sprachhistorisch bzw. semantisch falsch.
Brandis bzw. von Brandis ist (auch) der Name einer der Werler Erbsälzerfamilien (Literatur: von Klocke). Wenigstens in diesem Falle ist die Benennung nach dem „Siedlungsnamen Brandis östlich von Leipzig in Sachsen und nördlich von Herzberg in Brandenburg sowie zur Burg Brandis bei Lützelflüh in der Schweiz“ sicherlich nicht zutreffend. Wie der Werler Name zu erklären ist, ließe sich sicherlich mit der einschlägigen Literatur zu den Erbsälzern klären.
Bei Namen wie von Ritter oder von Müller, die auf eine Nobilitierung in der Frühen Neuzeit hinweisen, dürfte in aller Regel mit wenig Aufwand unter durch Nutzung der entsprechenden Nachschlagewerke feststellbar sein, wann und wo diese Namenformen entstanden sind. Ob es gerechtfertigt ist, diese Namen als eigene Lemmata anzusetzen und ob es nicht reichen würde, unter der einfachen Namensform auf Fälle von Nobilitierung hinzuweisen, sei dahingestellt.
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